Interpretation der Testergebnisse:
Die Persönlichkeit eines Menschen lässt als ganzheitliche Gestalt projektiv abbilden. Dabei spielt die Abgrenzung eine wichtige Rolle. Erst durch die Grenze wird ein geschlossener Raum konstituiert. Es gibt keinen geschlossenen Raum, keine Gestalt ohne Abgrenzung nach aussen. Diese Gestalt, die Ich-Gestalt, wie sie sich im Testergebnis offenbart, stellt im strengen Sinne ein Konstrukt dar, das das Ich-Gefühl im Sinne FEDERN's räumlich darstellt und das Ich durch ihre Grenze vom Nicht-Ich abgrenzt. Die Charakteristik dieser Gestalt steht nun in Wechselwirkung mit der Beschaffenheit dieser Grenze. Die Charakteristik der Grenze gibt einen Hinweis auf das psychische Erleben eines Menschen in seiner Umwelt bzw. in Beziehung zu seinen Mitmenschen. Sie weist darauf hin, wie der Mensch mit seinem Unbewussten und seiner Umgebung kommuniziert und an welchen Entwicklungsaufgaben er gegenwärtig arbeitet.
Anhand der bereits vorliegenden Testergebnisse können folgende Grundfiguren bzw. Figurationen unterschieden werden:

      F I: unregelmässige, leicht geöffnete oder geschlossene, kreisförmige Figurationen deuten auf eine integrierte Ich-Struktur hin. Sie korrespondieren in der Regel mit einem lebendigen, "runden" Ich-Gefühl. Die Abgrenzung gegen das Nicht-Ich ist nicht starr, sondern berücksichtigt differenzierende Situationen unter unterschiedlichen Bedingungen.

      F II: einfache, geschlossene Figurationen mit starrer bzw. geometrischer Abgrenzung treten dann auf, wenn die Ich-Grenze die Funktion eines differenzierenden Wahrnehmungsorgans zur Unterscheidung zwischen Ich und Nicht-Ich nicht erfüllen kann. Diese Menschen denken, fühlen oder urteilen regelhaft undifferenziert bzw. rigide kategorisierend und neigen dazu, mit ihren Urteilen in einem "Schwarz-Weiss-Denken" über "einen Kamm zu scheren". Diese Menschen fühlen sich oft innerlich zugemauert, leer bzw. depressiv. Ihre Ich-Struktur ist meistens wenig strukturiert und wird kompensatorisch durch eine Scheinidentität überdeckt.

      F III: gespaltene, bzw. mehrkernige Figurationen deuten auf eine nicht integrierte spannungsgeladene Ich-Struktur hin. Die einzelnen nicht integrierten Bereiche des Ichs lassen sich oft in Bedeutungspaare wie kindlich-erwachsen, männlich-weiblich, privat-beruflich, bewusst-unbewusst, Gewünschtes-Defordertes usw. unterteilen, die im Rahmen einer problemvollen Sozialisation nicht zu einem Ganzen integriert werden konnten.

      F IV: konkretistische Figurationen scheinen einem vorsymbolischen bzw. vorabstrakten Denken oder einer körper-ich-haften Kommunikation zu entsprechen. Diese Figurationen werden vor allem von Menschen gewählt, die sich überwiegend anhand ihrer sinnlichen Wahrnehmung orientieren und die in der Regel auf Probleme mit psychosomatischen Reaktionen reagieren.

      F V: offene Linien, punktförmige oder andersartige Figurationen mit grossen Öffnungen deuten auf ein schweres Defizit in der Abgrenzungsfähigkeit hin. Diese Menschen sind in der Regel nicht in der Lage, sich gegen fremde Ansprüche, Wünsche und Forderungen abzugrenzen. Sie bleiben deshalb partiell von anderen Menschen bzw. Institutionen als sogenannte Hilfs-Ichs abhängig. In Trennungs- bzw. Krisensituationen kann es zu psychotischen Reaktionen oder zum vollständigen Zusammenbruch der mühsam kompensierten Als-ob-Persönlichkeit kommen.

      F VI: chaotisch-abstrakte bzw. -konkretistische Figurationen Diese letzte Kategorie umfasst alle Figurationen, aus denen sich keine typische Ich-Struktur ableiten lässt, und die sich aus mehreren unterschiedlichen, wirren bzw. unzusammenhängenden Bilderszenen zusammensetzen. Jedes Darstellungselement zeigt für sich genommen ein eigenes nicht integriertes Ich-Erlebnis auf unterschiedlicher Abstraktionsebene. Zu dieser Gruppe zählen z.B. Testpersonen, die drogenabhängig oder sozial verwahrlost sind.


Die untenstehende Abbildung zeigt das Ergebnis einer prozentualen kategorialen Einordnung der Grenzfiguren (Figurationen), die im Rahmen der Untersuchung zur Validierung des IGTO anhand verschiedener klinischer Extremgruppen (n>2'000) und einer Kontrollgruppe gewonnen wurde. Das Ergebnis zeigt, dass 38.3 % der Personen aus der Kontrollgruppe eine geschlossene, kreisartige Ich-Grenze zeichneten (F I). Psychiatrische Patienten mit depressiver Symptomatik stellten zu 28.85 % starr geometrische Figurationen (F II), psychosomatisch reagierende Patienten zeigten ihr Maximum bei den konkretistischen Figurationen (31.7 %) (F IV), Psychiatriepatienten mit der Diagnose Schizophrenie zeichneten zu 30.4 % offene Linien, punktförmige oder andersartige Figurationen mit grossen Öffnungen (F V) und drogenabhängige Testpersonen stellten überwiegend ungeordnete, uneinheitliche bis chaotische Bildszenen dar (F VI).

Abbildung: Kategoriale Einordnung der Figurationen einer Kontrollgruppe und verschiedener klinischer Extremgruppen.





Diese Ergebnisse bestätigen im grossen Ganzen unsere Annahmen. Sie zeigen, dass sich die verschiedenen Extremgruppen signifikant von der Kontrollgruppe (Personen, die nie klinisch auffällig geworden sind) unterscheiden.